Prantl schreibt in seiner Kolumne …
20. März 2022 Die politische WochenschauProf. Dr. Heribert Prantl Sehr geehrter Herr Bloecker, an die 150 Mal habe ich über ihn geschrieben: Kommentare, Analysen, Features, Reportagen. „Lafontaine, warum“, hieß einer meiner frühen Leitartikel, in dem ich mich mit dem genialischen Saarländer, seinen Strategien und Taktiken befasst habe. Das war am 24. April 1997. Es ging um eine große Steuerreform, die zusammen mit der Union anzupacken gewesen wäre. Lafontaine, warum? Warum und zu welchem Ende hat er 1995 Rudolf Scharping gestürzt, nachdem er ein paar Jahre vorher noch den SPD-Vorsitz abgelehnt hatte? Hans-Jochen Vogel hatte ihm 1990 den Vorsitz doch auf Knien angeboten! Warum hat er Gerhard Schröder und sich nicht selbst zum Kanzler gemacht? Warum hat er nicht nur das Amt des Finanzministers, sondern auch noch das des SPD-Parteivorsitzenden hingeworfen, warum die SPD verlassen, warum die Linke gegründet? Warum? Und warum verlässt er jetzt, im März 2022, die Linke wieder? Retter, Zermalmer, Gründer Alle Antworten (bis auf die letzte) sind hundertmal gehört, gedreht und gewendet worden: das machtvolle Ego, das missionarische Ego, das beleidigte Ego, das von Schröder brüskierte Ego, das von der Attentäterin Adelheid Streidel schwer verletzte Ego. Der Messerstich in den Hals des Kanzlerkandidaten. Die Lafontainologie, die Interpretation der oskarischen Psyche, gehört zu den roten Fäden von vierzig Jahren deutscher Politik. Wie aus dem Retter der SPD von 1995 ihr Zermalmer im Jahr 2005 und der Gründer der Linkspartei…